Arbeitsrecht: Voraussetzungen Abmahnung durch Arbeitgeber


Allgemeines:

Die Abmahnung des Arbeitgebers ist die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts. Durch eine Abmahnung weist der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung den Arbeitnehmer als Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf eine Verletzung dieser Pflichten aufmerksam.

Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an, insbesondere in Form der Androhung einer Kündigung (vgl. statt vieler: BAG Urteil vom 10. November 1988 - 2 AZR 215/88 – AP).

Diese Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen hat Warnfunktion und ist im Rahmen einer rechtmäßig zu erlassenden Abmahnung zwingend einzuhalten.

Die Abmahnung ist vor der verhaltensbedingten Kündigung auszusprechen, da es sich um ein durch den Arbeitnehmer steuerbares Verhalten handelt und nur im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung möglich ist.

 

Keine Kündigung bei erfolgter Abmahnung:

Durch den Erlass einer Abmahnung gibt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er konkludent auf eine Kündigung verzichtet. Durch die Abmahnung verbraucht sich der abgemahnte Sachverhalt, so dass eine Kündigung nicht mehr auf diesen gestützt werden kann.

Eine Kündigung kann nur dann ergehen, wenn ein weiterer Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers erfolgt, hinsichtlich eines ähnlich gelagerten Sachverhaltes.

Die ähnelnden arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen müssen jedoch einen inneren Bezug zur negativen Zukunftsprognose aufweisen (BAG 16.09.2004 - 2 AZR 406/03).

Mahnt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen einer Pflichtverletzung ab, verzichtet er damit zugleich auf das Recht zur Kündigung wegen der abgemahnten Pflichtwidrigkeit. Dies gilt auch bei einer Abmahnung, die innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erklärt wird. Die Abmahnung wirkt danach also auch außerhalb des Kündigungsschutzes und nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) wie ein Verzicht auf das Recht zur Kündigung auf Grund eines bestimmten Sachverhalts. (BAG-Urteil vom 13.12.07 Az.: 6 AZR 145/07)

 

Mögliche Vertragsänderung bei nicht erfolgter Abmahnung:

Falls bei arbeitsrechtlichen Pflichtverstößen keinerlei Abmahnung durch den Arbeitgeber erfolgt, kann dies dazu führen, dass es aufgrund Duldung des Verhaltens durch den  Arbeitgeber aufgrund stillschweigenden Verhaltens zu einer Vertragsänderung kommt und der ursprünglich vertragswidrige Pflichtenverstoß nicht mehr zu beanstanden ist.

Daher müssen bei arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen Sanktionen durch den Arbeitgeber erfolgen, um eine stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrages zu verhindern.

 

Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:

Zunächst ist also zu prüfen, ob es sich hier überhaupt um eine abmahnfähige Pflichtverletzung handelt bzw. ob nicht andere arbeitsrechtliche Sanktionen im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorrangig wären.

Eine Abmahnung kann nicht bei geringfügigen Pflichtverletzungen ausgesprochen werden.

Abzugrenzen ist dabei die Abmahnung von der Ermahnung oder Betriebsbuße, die vor der Abmahnung vorrangig zu erklären sind. Diese wird nicht, wie die Abmahnung, mit einer Warnung verbunden. Die Ermahnung ist auch nicht, anders wie die Abmahnung, Wirksamkeitsvoraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei an enge Voraussetzungen geknüpft und zwingend einzuhalten.

Nach dem „ultima-ratio- Prinzip“ verlangt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber stets das mildeste Mittel anwendet.

Vor der Abmahnung ist also zunächst, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, eine

  • Ermahnung, Rüge oder Verweis
  • Vertragsstrafe
  • Betriebsbuße

auszusprechen.

1. Ermahnung:

Durch eine Ermahnung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer daraufhin, dass er mit der Arbeitsleistung nicht zufrieden ist, bzw. eine bestimmte arbeitsrechtliche Pflichtverletzung begangen wurde. An die Ermahnung sind jedoch, im Gegensatz zur Abmahnung keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen geknüpft, d.h. die Ermahnung wird gerade nicht mit dem Hinweis verbunden, dass der Arbeitnehmer bei weiteren Zuwiderhandlungen mit einer Kündigung zu rechnen hat. Falls die Ermahnung zu keinem Erfolg geführt hat, d.h. sich die arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen wiederholen, kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen.

2. Vertragsstrafe:

Eine Vertragsstrafe kann bei arbeitsrechtlichen Pflichtverstößen erst dann ergehen, wenn dies im Arbeitsvertrag so vereinbart ist. Eine wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe muss jedoch auch den gesetzlichen Erfordernissen genügen wie

§ 315 BGB.

Damit unterliegt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

3. Betriebsbuße:

Voraussetzung für eine Betriebsbuße ist dabei das Bestehen eines Betriebsrates, da eine Betriebsbußenordnung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vereinbart werden muss. Nach arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung muss jedoch in der Betriebsbußenordnung ein Strafkatalog beinhaltet sein, der je nach Schwere des Verstoßes abgestuft sein muss.

Falls kein Betriebsrat besteht, kann eine Betriebsbuße nicht erlassen werden.

 

Voraussetzung der Abmahnung: arbeitsvertragliche Pflichtverletzung:

Im Vordergrund steht die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.

1. Steuerbares Verhalten:

Die rechtliche Wirksamkeit der Abmahnung ist also davon abhängig, ob der Arbeitnehmer überhaupt eine Pflichtenverletzung begangen hat. Es muss sich dabei um eine Verletzung der Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis handeln. Außerdem muss es sich um ein durch den Arbeitnehmer steuerbares Verhalten handeln, d.h. der Arbeitnehmer muss auf seine Verhaltensweise selbst einwirken können. Bei einer personenbedingten Kündigung z.b. im Krankheitsfall kann eine Abmahnung schon nicht ausgesprochen werden, da der Arbeitnehmer nicht darauf einwirken kann, ob die Krankheit fortbesteht oder nicht.

2. Vorliegen einer arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung:

Um eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung handelt es sich zum Beispiel, falls der Arbeitnehmer unentschuldigt fehlt, nicht pünktlich am Arbeitsplatz erscheint, den Urlaub ohne vorherige Genehmigung des Arbeitgebers antritt, eine unerlaubte Nebentätigkeit ausübt.

Die Pflicht, sich beim Arbeitgeber abzumelden, wenn während der Arbeitszeit die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht wird, trifft alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Sie ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Ihre Erfüllung dient im Wesentlichen dem Ziel, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, den Ausfall des Arbeitnehmers anderweitig zu überbrücken oder die Arbeit entsprechend anders zu organisieren. ( BAG, Urteil vom 15.7.1992 - 7 AZR 466/91 )

Hier handelt es sich jedoch nur um exemplarische Beispiele, die nicht abschließend sind. Auch aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag selbst ergeben sich die Pflichten des Arbeitnehmers, so dass aus diesem die Haupt- und Nebenpflichten hergeleitet werden können und damit die einhergehende Beurteilung, ob es sich um schwerwiegendere, also um eine abmahnungsfähige Pflichtverletzung handelt.

Die Pflicht eines nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedes, sich vor Beginn seiner unter § 37 Abs. 2 BetrVG fallenden Betriebsratstätigkeit beim Arbeitgeber abzumelden, beruht auch auf dem Arbeitsvertrag und kann eine rechtmäßige Abmahnung begründen. ( BAG, Urteil vom 15.7.1992 - 7 AZR 466/91 )

An eine wegen einer Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis erteilte Abmahnung kann sich keine sofortige Kündigung anschließen.

 

Keine Anhörungspflicht:

Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist keine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung der Abmahnung. Eine Solche ist lediglich im öffentlichen Dienst vorgeschrieben gemäß Bundesangestelltentarifvertrag bzw.

§ 13 Abs. 2 BAT und die Nichteinhaltung begründet die Unwirksamkeit der Abmahnung bzw. den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

Eine Anhörung des Arbeitnehmers ist jedoch durch den Arbeitgeber zwingend durchzuführen, wenn diese im Tarifvertrag konstituiert ist. Dann ist die Anhörung zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung.

Die Anhörung des Arbeitnehmers kann jedoch auch im Falle eines Rechtsstreits vor Gericht aus prozesstaktischen Gründen zweckmäßig sein, da sich der Arbeitnehmer bei Darstellung des aus seiner Sicht zugetragen Sachverhaltes festlegt und damit keine andere Version vor dem Arbeitsgericht zum Tragen kommen kann. Eine Anhörung sollte in diesem Fall immer unter Zeugen erfolgen.

 

Verwirkung durch Zeitablauf:

Nach eingehender Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Erlasses einer Abmahnung muss diese zeitnah ergehen. Eine Verwirkung der Abmahnung durch Zeitablauf kommt bereits nach wenigen Wochen in Betracht. Dabei kann schon der Erlass der Abmahnung nach 6 Wochen als verspätet angesehen werden.

 

Entbehrlichkeit der Abmahnung:

1. Nichtvorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 1,23 KSchG:

Der Arbeitnehmer muss unter die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften gemäß §§ 1,23 KSchG fallen. Der Betrieb des Arbeitnehmers muss also mindestens 10 Arbeitnehmer nach § 23 KSchG beschäftigen und der Arbeitnehmer muss mindestens ein halbes Jahr beschäftigt sein. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist eine Abmahnung stets entbehrlich, da der Erlass einer Abmahnung Wirksamkeitsvoraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung ist, die im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht überprüft werden kann. Eine solche Überprüfung kann jedoch nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen des §§ 1 und 23 KSchG erfüllt sind.

Handelt es sich um steuerbares Verhalten, ist vor der Kündigung nochmals eine Abmahnung auszusprechen.

2. Endgültig zerrüttetes Vertrauensverhältnis:

Entbehrlich ist eine Abmahnung auch immer dann, wenn im Einzelfall eindeutig erkennbar ist, dass die Abmahnung keinen Erfolg nach sich ziehen würde, oder z.B. das Vertrauensverhältnis zu dem Arbeitnehmer endgültig zerstört ist, sofern dieser eine entsprechende Vertrauensstellung innehatte.

 

Fazit:

An den Erlass einer Abmahnung durch den Arbeitgeber sind also strenge gesetzliche Voraussetzungen geknüpft, die zwingend einzuhalten sind. Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage können diese durch das Arbeitsgericht überprüft werden und bei deren Unwirksamkeit einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers begründen.