Urteile und Rechtstipps München
Viele aktuelle Prozesse stützen sich in der Entscheidungsfindung oftmals auf frühere Urteile. Um Ihnen einen kurzen Überblick über bestehende Urteile zu liefern, finden Sie auf folgenden Seiten ausgewählte Urteile und Rechtstipps die Ihnen aufzeigen können, ob ihr Anliegen Chancen auf Erfolg hat.
Folgenden Themen sind bei den Urteilen und Rechtstipps vertreten:
- Familienrecht: Chancen und Hürden
- generelle Informationen
- rechtliche Vorraussetzungen
- 75 Jahre Grundgesetz
Art.1 GG: „die Würde des Menschen ist unantastbar“
Bagatellisierung von Kapitalverbrechen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der strafrechtlichen Gesetzgebung bei abgeurteilten Tötungsdelikten und dennoch möglichen Konsequenzen im Hinblick auf eine etwaige zu Lasten des Opfers ohne rechtliche Grundlage erfolgende mediale tendenziöse Berichterstattung.
Zwar „kann Träger des aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG herzuleitenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur eine lebende Person sein. Es erlischt deshalb mit dem Tod; sein Schutz wirkt nicht darüber hinaus.
Kein Ende mit dem Tod findet hingegen die der staatlichen Gewalt in Art. 1 Abs. 1 GG auferlegte Verpflichtung, alle Menschen vor Angriffen auf die Menschenwürde zu schützen (Senatsurteil vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16; BGH, Beschlüsse vom 25. April 2018 - XII ZB 414/16, NJW-RR 2018, 967 Rn. 19; vom 22. März 2012 – 1.)
Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Der Verstorbene wird danach insbesondere davor bewahrt, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2018 - XII ZB 414/16, NJW-RR 2018, 967 Rn. 19; BVerfG, NJW 2018, 770 Rn. 20; BVerfGE 146, 1 Rn. 103 - parlamentarisches Fragerecht; BVerfG, NJW 2001, 2957, 2958 f., juris Rn. 18 - Wilhelm Kaisen).
Leider wird in der Realität nur selten dem in der oben zitierten Rechtsprechung verankerten Anspruch auf Achtung ausreichend Sorge getragen, da dieser zeitlich limitiert ist. Vielmehr kollidiert dieser oftmals mit dem Recht auf Information und der damit einhergehenden Pressefreiheit. Leider wird dadurch die Bagatellisierung von Gewaltverbrechen bzw. Tötungsdelikten aufgrund Weiterverbreitung rechtsgrundloser Diffamierungen von Medien erst ermöglicht.
Selbstverständlich handelt es sich bei der in Art.5 GG festgeschriebenen Pressefreiheit um eine sehr schützenswerte Errungenschaft der Demokratie und ein hohes Gut. Diese muss ihre Grenze jedoch in der Verunglimpfung von Lebenden sowie von Verstorbenen haben. Völlig unzureichend sind in diesem Zusammenhang auch die durch die Gesetzgebung lediglich defizitär ausgestalteten rechtlichen Möglichkeiten naher Angehöriger, die neben dem Verlust eines nahen Angehörigen durch ein Gewaltverbrechen außerdem aufgrund des schwach ausgestalteten postmortalen Persönlichkeitsschutzes durch die relativ gering ausgestalteten Verjährungsfristen nahezu rechtlos gestellt sind.
„Dieser postmortale Persönlichkeitsschutz verblasse mit der Zeit und verliere namentlich gegenüber der Meinungsfreiheit allmählich in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen schwächer werde, an Umfang.“(BVerfGE 30, 173 (196)
Eine absolute Aussage zu Intensität und Dauer der Schutzwirkung lasse sich nicht treffen. Diese hänge von der Intensität der Persönlichkeitsverletzung ab. ( Di Fabio in: Maunz/Dürig, 83.EL.2018, Art.2 GG RN.226)
Das Recht am eigenen Bild, eine Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ist gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung auf lediglich 10 Jahre beschränkt.
In Zeiten des Internets ist der allgemeine Achtungsanspruch des Verstorbenen aufgrund der weitreichenden technischen Möglichkeiten kaum noch zu gewährleisten.
Nach Ablauf der intransparent geregelten Verjährungsfrist des postmortalen Persönlichkeitsschutzes kann der Verstorbene nahezu jeglicher Diffamierung ausgesetzt werden. Nahe Angehörige haben damit nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit aufgrund möglicher fehlender Aktivlegitimation Ansprüche geltend zu machen. Kapitalverbrechen bzw. Tötungsdelikte, abgeurteilt aufgrund der einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften, erfahren eine ungeahnte Bagatellisierung. Die Folge ist eine Unterminierung der strafrechtlichen Gesetzgebung und eine Umkehrung des Täter-Opfer- Verhältnisses.
In Österreich wurde durch die Einführung von § 17a Abs.3 AGBGB in der Fassung vom 10.07.2021 mit dem Gesetzespaket „Hass im Netz“ für die im ersten Grade Verwandten sowie Ehegatten von Verstorbenen auf Lebenszeit die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen die Verletzungen des Andenkens des Verstorbenen juristisch geltend zu machen.
Es bleibt zu hoffen, dass das deutsche Rechtssystem eine Nachbesserung hinsichtlich des gerade in Zeiten des Internets hoch brisanten Themas erfährt. Dies bleibt jedoch Aufgabe des Gesetzgebers.